Vor einigen Tagen machte der Niedersächsische Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) den Vorschlag, auf niedersächsischen Landstraßen, die einspurig in jede Fahrtrichtung führen, einheitlich eine Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h einzuführen. Dies würde insbesondere die Verkehrssicherheit erheblich verbessern. Doch wird die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer derart erhöht, dass eine erneute Einschränkung für Kraftfahrzeugführer verhältnismäßig erscheint?
Ein zentrales Argument von Minister Lies ist die Verringerung von Überholvorgängen. Diese würden vor allem auf Landstraßen aufgrund der häufig fehlenden baulichen Trennung zu schweren Unfällen führen. „Dabei wird allerdings verkannt, dass in bestimmten Konstellationen Überholvorgänge weiterhin unvermeidbar bleiben werden. In diesen Fällen würde die mögliche Geschwindigkeitsdifferenz zwischen den Fahrzeugen weiter reduziert. Hierdurch kann der Überholvorgang nicht nur unerheblich verlängert werden, wodurch wiederum das Risiko für Kollisionen mit dem Gegenverkehr steigt“, erklärt die stellv. Kreisvorsitzende für Öffentliches der Jungen Liberalen Celle, Mila Lüdtke.
Des Weiteren gilt es zu beachten, dass die vorgeschlagene Regelung die gesamte Landstraße betreffen würde. „Kraftfahrzeugführer müssten selbst in sicheren Streckenabschnitten künftig mit reduzierter Geschwindigkeit fahren. Es erscheint sachgerechter, anhand der Gefährlichkeit und Unfallanfälligkeit individuell eine angemessene Höchstgeschwindigkeit festzulegen. Folglich würde die Verkehrssicherheit an den entsprechenden Problemschwerpunkten entscheidend verbessert, ohne dass die Höchstgeschwindigkeit auf allen Streckenabschnitten verringert werden müsste“, konstatiert der Beisitzer im Kreisvorstand, Niklas Hüneburg.
„Außerdem ist in ländlichen Regionen aufgrund des meist nicht ausreichend ausgebauten ÖPNV der Individualverkehr für eine Teilnahme am gesellschaftlichen Leben unerlässlich. „Tempo-80“ kann jedoch unter Umständen längere Reisezeiten bedeuten und wiederum die Mobilität in diesen Regionen weiter einschränken“, erläutert der Kreisvorsitzende der Jungen Liberalen Celle, Shaun Martin.
Schließlich zog der Niedersächsische Wirtschaftsminister den Vergleich zu Frankreich, wo die Höchstgeschwindigkeit von nur 90 km/h auf 80 km/h gesenkt wurde. Dort habe die Regelung zu einem signifikanten Rückgang der Verkehrstoten geführt. Jedoch weist die Studie, auf die sich bezogen wird, einige Schwächen bezüglich der Aussagekraft auf. Paul Thunich, Vorsitzender der FDP-Wathlingen, führt aus: „Ein Rückgang der Verkehrstoten war nur im betrachteten Straßennetz zu vermelden. Außerhalb des betrachteten Netzes wurde jedoch eine Erhöhung registriert.“ Darüber hinaus muss dabei beachtet werden, dass die Neuregelung keinen gesellschaftlichen Anklang gefunden hat. Schon die Senkung der Höchstgeschwindigkeit um 10 km/h wurde entschieden von über der Hälfte der Bevölkerung abgelehnt. Bei einer Absenkung der Geschwindigkeit um 20 km/h in Niedersachsen sind ähnliche oder gar noch negativere Reaktionen zu erwarten.
Die Jungen Liberalen Celle schließen sich der Einschätzung des ADAC an und bewerten den Vorschlag aus dem Wirtschaftsministerium als unverhältnismäßig. Es würde erneut der Individualverkehr ausgebremst werden und insbesondere Menschen in ländlichen Regionen benachteiligt, obwohl eine wesentliche Erhöhung der Verkehrssicherheit nicht eindeutig nachzuweisen ist. Dementsprechend fordern die Jungen Liberalen Celle die Niedersächsische Landesregierung auf, „Tempo-80“ auf Landstraßen nicht zu realisieren.